Re: Der Radreisende im Ramdan in Marokko

Posted by: Anonymous

Re: Der Radreisende im Ramdan in Marokko - 10/23/06 06:15 PM

Hallo zusammen,

als Forumsmitglied, Marokkoreisender und Radfahrer kann ich nun nicht mehr anders, als hier ebenfalls meinen Beitrag abzuliefern. Ich will hier niemandem zu nahe treten, ich kenn auch hier niemanden persönlich, aber dies ist schließlich ein öffentliches Forum.

Einleitend die Frage: wenn für den Radreisenden bereits Marokko mehr Mühsal als Freude bedeutet und die dortigen „kleineren Gaunereien“ (Zitat Auswärtiges Amt) einen Reiseabbruch bewirken können – wie schaffen es einige von Euch nur, eine Transafrika- Indien- oder Lateinamerikatour erfolgreich zu starten und dann zu absolvieren? Und warum?

Mit welcher Erwartungshaltung startet man eine Reise? Daß alles so easy läuft wie zuhaus?

Andere Länder – andere Sitten: in Nordafrika ist es seit jeher so, daß große Bevölkerungsteile ums Brot kämpfen. Müssen!, und zwar um ihr tägliches. Und dann kommen Reisende – für jeden Einheimischen offensichtlich - mit einem Überschuß an Energie, Zeit und Geld und vertreiben sich mit Golfspielen, Poolabhängen oder Radfahren die Langeweile... Währenddessen werden Zentralafrikaner in Scharen durchs Land getrieben, die es in diesem Leben nicht bis nach Europa geschafft haben. Ist das nicht pervers? Die Alpen mögen noch ein Freizeitpark sein, nicht aber die armen Landstriche dieser Welt. Wer (wie ich auch) sich dennoch auf den Weg macht, muß all dem konsequenterweise gründlichst Rechnung tragen in seiner Reisevorbereitung, seinen Erwartungen seiner Reisemotivation und seinem individuellem Handeln bzw. Unterlassen vorort.

Ich wünsche mir sehr, das einige Marokkaner den Weg hierher finden und die Situation mithilfe ihrer eigenen Lebenserfahrungen darstellen! Nach 20 x in Maroc ist mir bewußt, daß es (auch) in Marokko vorkommt, selbst den Blinden und Toten noch in die Taschen zu greifen, und das ungestüm und mit Nachdruck! (Es passiert übrigens, daß Marokkaner darüber Witze reißen, wie sich Europäer zuhause klaglos schröpfen lassen, z. B. von Amts wegen..). Man kann Marokkaner auch dafür schätzen, daß sie allgemein sehr gewitzt sind und sehr direkt und authentisch ihre Gefühle äußern.

Nachdem ich jetzt sicher wieder Lust auf diesen orientalischen Traum aus 1001 Nacht gemacht habe, möchte ich – noch bevor der Begeisterungssturm nachläßt – ein Buch von Mohamed Choukri empfehlen: „Das nackte Brot“.
Und evtl. auch: „Die Evolution der Kooperation“ von Robert Axelrod, aber das ist schon hardcore.

Herzliche Grüße,
Hobo61, dereinst wieder in Richtung Ifni