Re: Zehn Anmerkungen zum Main-Radweg mit Familie

Posted by: Thomass

Re: Zehn Anmerkungen zum Main-Radweg mit Familie - 09/07/16 10:47 PM

0. Formulieren wir den Beitrag etwas schärfer:
Der Main-Radweg ist nicht einfach nur ein Radweg.
Er ist ein touristisches Produkt und wird auch so beworben:

‚Erste vom ADFC zertifizierte 5-Sterne-Qualitätsradroute in Deutschland… mit vorbildlicher Beschilderung…‘
‚Dem Main mit dem Rad … zu folgen, ist ein Genuss: herrlich…regionale Besonderheiten...unvergessliche Eindrücke…romantisch…ursprünglich…herrlicher Wald…weit …vielfältig…idyllisch…sonnenüberflutet…märchenhaft…abwechslungsreich…Der MainRadweg verspricht Radlspaß pur. Staunen und genießen!’

Der MainRadweg muss sich also nicht für seine Berufspendlereignung rechtfertigen,
sondern für sein touristisches Angebot.
Hält der Radweg was Franken-Tourismus verspricht? Ich denke: Nein.

Denn: Ich bin auf dem Mainradweg kein Radfahrer, sondern Kunde.
Ich investiere meine Urlaubswochen, mein Geld, und meine Urlaubsgefühle und ich will dafür etwas bekommen.
Einen Gegenwert, der das alles wert ist. Z.B. eine ordentliche Beschilderung. Einen komplett autofreien Weg. Rastplätze. Sitzbänke. Alles eher bescheidene Wünsche.

Radfahren kann ich überall. Ich war schon mit den Kindern unterwegs, da mußte der Kleine noch seinen Teddybär auf dem Gepäckträger mitnehmen und ich das ganze Gepäck auf dem Anhänger.
Das waren vom Charakter her Radreisen und eine Reise mit dem Rad ist etwas ganz anderes als das Abradeln einer zertifizierten und fixen Route.
Es hat, ähnlich einem CenterParc, etwas künstliches, lebloses. Es ähnelt jedem camino, wo man schon zu Beginn weiß, wo man am Ende ankommt. Das ist in gewisser Weise totes Radeln, aber mit Komfort; deswegen bucht man ja sowas.

Am MainRadweg habe ich sozusagen eine touristische Reise gebucht in Eigenbuchung und Selbstorganisation (… es gibt auch kommerzielle Anbieter mit festen Etappen, mit Gepäcktransport und Plattfußversicherung…), ganz ähnlich dem stationären Aufenthalt auf einem Campingplatz in Cavallino, wo ich für fast 100 Euro am Tag ordentlich geputzte Toiletten erwarte, kinderfreundliche Animation und einen Strand ohne Glasscherben.
Beides sind touristische Angebote. Beim einen ruhe ich, beim anderen strample ich; das ist der einzige Unterschied. Zahlen tu ich hier wie dort.

Wenn sich die TourismusManager mit Lobpreisungen überschlagen: ‚Hinein ins Urlaubsglück - Glücksgefühle garantiert! …stadt, siebensterne mit seeblick…‘, dann nehme ich die beim Wort; und könnte man sie für das Nichtbereitstellen zugesicherter Routeneigenschaften verklagen, wäre man all das Geschwätz sofort los.

Als touristisches Produkt ist der MainRadweg, jedenfalls mit Kindern,
kein Totalversager, aber nicht das, wofür er sich hält.
Im Grunde ist er eine Frechheit.

Als Radweg aber ist er okay, allein schon weil flach. Auch hier sind die Ansprüche bescheiden.

Aber mein Ausgangspunkt war ja ein ganz anderer. Beim Befahren schien mir dieses Mainfranken weithin überaltert und verarmt zu sein. In …prozelten war ich auf der Suche nach einer Bäckerei und frage eine Ortsansässige. Wörtlich: ‚Gibt es schon lange nicht mehr. Hier ist tote Hose. Man schämt sich für den Ort.‘

Diesen Eindruck toter Hose hatte ich öfters und dachte: Muss gar kein Nachteil sein. Wäre das nicht ein Anreiz für Familien? Geruhsames Anti-Stress-Radeln mit Kindern am Main inkl. therapeutischer Familienkonferenzen bei Routendifferenzen?
Selbst die Alpenvereinshütten satteln um auf Wellness am Berg mit Einzelzimmer und Warmdusche statt Schutzhüttenunterkunft im Matratzenlager.
Ja, man geht mit der Zeit.

Ich würde Mainfranken komplett zum Radfahrertal umwidmen, alle Autos rauswerfen und nur noch Familien reinlassen.
Dann hätte der Weg echte Qualität.
Außerdem wäre man dann auch die Säufer los.