Was ist dran am Mythos Nordkap?

Posted by: uwee

Was ist dran am Mythos Nordkap? - 08/07/15 07:30 PM

Hallo,
wir sind gerade zurück von unserem fünften Besuch im ganz hohen Norden.
Beim allerersten Besuch dort oben hatten wir uns- wie wohl jeder- als Ziel das Nordkap gesetzt.
Die Anfahrt in einer großen Schleife durch Norwegen, Schweden und erneut Norwegen war phantastisch. Wir schwebten in einer anderen Welt.
In Olderfjord, nur noch 130 km bis zum Nordkap...
Dann das: An einer Raststätte. Gleich fünf voll besetzte Reisebuuse ergießen ihren lauten Inhalt auf den Parkplatz, wo wir uns gerade noch in vollkommener Stille einen Kaffee gönnten.
Zwei Radler auf dem Rückweg vom Kap schimpfen über den Nepp, die hohen Eintrittspreise, den lauten und stinkenden Tunnel, die vielen und ebenfalls lauten Touristen. Dazu nix gesehen. Alles im dicken Nebel.
Wir schauen in die Karte und wählen kurz entschlossen die westlich gelegene Porsanger Halbinsel und die mit ihr durch eine Brücke verbundene Insel Havoy mit der 1000 Einwohner- "Stadt" Havoysund,durch die der 71. Breitengrad verläuft (Nordkap 71°10`21").
Was wir gar nicht wussten... Nach Havoysund führt eine der 18 so genannten Landschaftsrouten, wie das norwegische Fremdenverkehrsamt die ihrer Ansicht nach schönsten Straßen Norwegens bezeichnet. Außer dem Wetter war die Strecke atemberaubend schön.
Von dem etwas verschlafenen aber sympathischen und vollkommen ruhigen Havoysund aus erkundeten wir die vorgelagerten Inseln und feierten den Abschluss unserer Radreise in dem wie ein Schwalbennest auf einer in mehr als 200 m Höhe in den Klippen hängenden Arctic View Restaurant, mit unverbautem Blick auf die Mitternachtssonne. Von Havoysund aus ging es dann mit der Hurtigruten nach Tromsö zum Rückflug.

Auch beim nächsten Besuch hatten wir vor dieses mal das Nordkap zu besuchen. Aber erneut rieten uns diverse Radler davon ab und erklärten nie wieder dorthin zu fahren- es sei denn als Rentner mit dem Bus.
Dieses Mal strandeten wir daraufhin auf der östlich der Nordkapinsel Mageroya gelegenen Nordkinn- Halbinsel, auf der sich auch der nördlichste Punkt des europäischen, Kinnarodden, befindet.
Bei schönem Wetter war es eine wunderschöne mehrstündige Wandertour dorthin. Und man genießt das Erlebnis am nördlichsten Festlandspunkt Europas zu stehen vollkommen alleine. Auch sonst gefiel uns diese Halbinsel sehr gut- besonders der Nationalpark am nördlichsten auf Festland stehenden Leuchtturm der Welt, wo die interessanten Führungen sogar kostenfrei angeboten werden.

Das Nordkap dagegen liegt auf einer Insel, die mit dem Festland durch einen Tunnel verbunden ist. Aber selbst auf der Insel Mageroya ist das Nordkap nicht der nördlichste Punkt dieser Insel, sondern der ein wenig nördlicher gelegene, dafür aber nicht ganz so imposante Felsen Knivskjellødden.

Informationen Nordkap etc.

Und wenn man in die Suche nach dem nördlichsten Punkt Europas auch die Inseln mit einbezieht,so landet man in Franz Josef Land- ein wenig östlich und nördlich von Spitzbergen.(Trotz des Namens russisch). Das Kap Fligely bei 81° 51′ n. Br. auf der Rudolf-Insel (Ostrow Rudolfa) ist der nördlichste Landpunkt Eurasiens- wobei noch gestritten wird, ob die Inselgruppe zu Europa oder zu Asien zu zählen sei...

So was bleibt also übrig vom berühmten Nordkap?
Es ist der nördlichste Punkt Europas, der mit dem Auto erreichbar ist.
Etwa 200.000 Menschen besuchen es jedes Jahr. (Kinnarodden wahrscheinlich kaum 100).
Es wird bestens vermarktet. Der Eintritt kostet etwa 30 Euro. Ein touristischer Selbstläufer? Eine Gelddruckmaschine?

Übrigens: Dieses Jahr endete unsere Radtour von Minsk kommend nach knapp 5.000 Kilometern (allerdings davon nur 3.500 im Sattel sitzend) wieder an unserem persönlichen Nordkap- dem Arctic View Restaurant in Havoysund. Bilder kommen demnächst...

Weshalb sollte man trotzdem hin? Was macht den Reiz aus?

Liebe Grüße
Uwe