Posted by: hopi
Re: von Theresienstadt nach Auschwitz - 07/21/15 07:33 AM
J
Was die Stolpersteine betrifft, so lohnt es sich mal etwas differenzierter auf die Sache zu schauen. Ohne Zweifel ist dies das größte Flächenmahnmal Europas und hält einem sehr plastisch die Ausmaße der NS-Verbrechen vor Augen. Aber es gibt auch ein paar Punkte, die man kritisch sehen kann:
nicht nur in weiten Kreisen des Judentums stößt es etwas sauer auf, wenn die Opfer des Holocaust in den gleichen Topf wie z.B. politische Aktivisten oder Kleinkriminelle geworfen werden.na ja, der Gedanke, dass durch diese "Stolpersteine" Holocaustopfer mit Kleinkriminellen in einen Topf geworfen werden, ist mir bei Betrachtung der Stolpersteine in meiner Heimatstadt noch nie gekommen.
dieses Problem hat man doch auch oft bei anderen Gedenktafeln oder ergänzenden Hinweisen bei Straßennamen
- Stolpersteine sind ja nicht die einzige Möglichkeit NS-Opfern zu gedenken. Besonders wenn Leute teils sehr aufwändig und langwierig Biografien aus dieser Zeit recherchiert haben, ist der öffentliche Druck (oft von Personen, die an der Recherche gar nicht beteiligt waren) einen Stolperstein verlegen zu lassen sehr groß. Die Bereitschaft eine Gedenkplatte/Tafel/etc. mit deutlich mehr Informationen, die den Opfern auch ein wirkliches 'Gesicht gibt', anzubringen, ist meist eher verhalten.in meiner Heimatstadt haben wir neben den Stolpersteinen mehrere andere Mahnmale und Erinnerungsplaketten, die auf die schlimmen Verbrechen während der NS-Zeit hinweisen. Zum Thema "Stolpersteine" gibt es bei uns noch einen sehr aktiven Verein rund um eine Bibliothekarin, die mit hohem persönlichen Einsatz die Schicksale der früher in unserer Stadt lebenden jüdischen Mitbürger aufzuklären versucht.
Aus all den Gründen gibt es einige gewichtige Stimmen, auch aus den Kreisen des deutschen Judentums (allen voran die ehemalige Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch), die die Stolpersteine ablehnenDie ablehnenden Stimmen aus Kreisen des Zentralrates muss man selbstverständlich sehr ernst nehmen. Aber es gibt auch dort starke Gruppierungen, die den "Stolpersteinen" recht positiv gegenüber stehen. "gedoppeltmoppelt" wirkt auf mich jetzt etwas abwertend. Ich halte es aber für durchaus sinnvoll, neben den "Stolpersteinen" vor den Hauseingängen der ehemaligen Wohnungen jüdischer Mitbürger auch weitere Mahnmale/Gedenkstellen wie beispielsweise vor unserem ehemaligen jüdischen Waisenhaus oder der ehemaligen Synagoge aufzustellen. Wie mir scheint, stößt die bei uns gelebte Erinnerungskultur auch bei den wenigen ehemaligen jüdischen Mitbürgern, die unsere Stadt immer noch mehr oder weniger regelmäßig insbesondere zu Besuchen in Schulen besuchen auf eine positive Resonanz.
Aber so ganz nebenbei: dieser Faden bringt mich auf die Idee, auch mal in naher Zukunft eine derartige Reise nach und durch Polen zu machen. Darum vielen Dank an den Themeneröffner!
In Antwort auf: derSammy
Was die Stolpersteine betrifft, so lohnt es sich mal etwas differenzierter auf die Sache zu schauen. Ohne Zweifel ist dies das größte Flächenmahnmal Europas und hält einem sehr plastisch die Ausmaße der NS-Verbrechen vor Augen. Aber es gibt auch ein paar Punkte, die man kritisch sehen kann:
nicht nur in weiten Kreisen des Judentums stößt es etwas sauer auf, wenn die Opfer des Holocaust in den gleichen Topf wie z.B. politische Aktivisten oder Kleinkriminelle geworfen werden.
Zitat:
- Prinzipbedingt ist die Inschriftfläche sehr begrenzt und die Informationen zu den Opfern seeeehr knapp. Nach meinem Eindruck bleiben die Opfer recht anonym. Klar, der Name wird genannt, aber ich kann mir daraus allein kein Bild machen, um welche Persönlichkeit und Leidensgeschichte es sich da konkret gehandelt hat.
Zitat:
- Stolpersteine sind ja nicht die einzige Möglichkeit NS-Opfern zu gedenken. Besonders wenn Leute teils sehr aufwändig und langwierig Biografien aus dieser Zeit recherchiert haben, ist der öffentliche Druck (oft von Personen, die an der Recherche gar nicht beteiligt waren) einen Stolperstein verlegen zu lassen sehr groß. Die Bereitschaft eine Gedenkplatte/Tafel/etc. mit deutlich mehr Informationen, die den Opfern auch ein wirkliches 'Gesicht gibt', anzubringen, ist meist eher verhalten.
Zitat:
Aus all den Gründen gibt es einige gewichtige Stimmen, auch aus den Kreisen des deutschen Judentums (allen voran die ehemalige Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch), die die Stolpersteine ablehnen
Zitat:
Wieder andere verbinden Gedenktafel+Stolperstein (was ich etwas gedoppelmoppelt empfinde).
Aber so ganz nebenbei: dieser Faden bringt mich auf die Idee, auch mal in naher Zukunft eine derartige Reise nach und durch Polen zu machen. Darum vielen Dank an den Themeneröffner!