Re: Helmprüfkriterien realistisch....?

Posted by: Elisabeth

Re: Helmprüfkriterien realistisch....? - 07/14/04 11:11 PM

In Antwort auf: HeinzH.
[3 Punkte mit etlichen Unterpunkten]
Vielleicht tun sich im Verlauf des Threads weitere Fragestellungen und Überlegungen auf. Im übrigen kann ich mir gut vorstellen, daß man aus den Themen Fahrradhelm/Prüfkriterien/Unfallauswertungen etc. den Stoff für einige Diplomarbeiten herausdestillieren kann.

Hallo Heinz und die anderen Behelmten und Unbehelmten, die an dieser Diskssuion Interesse zeigen (wem es auf die Nerven geht, braucht ja nicht weiter lesen ...):

- Aus dem Anlass, dass ich gerade über die Suche nach EU-Förderungen über EU-Strassenrecht-/Unfallstatistiken und letztlich Helmgegenüberstellung in den EU-15 auf das österr. Recht zu Helmen für motorisierte 2-Räder gekommen bin;
- aus dem weiteren Anlass, um den mir von Wolfrad verhängten Titel "Vorsitzende der oben-ohne-Fraktion" gerecht zu werden zwinker;
- gegen meine Überzeugung unterstellend, dass Fahrrad fahren an sich eine gefährliche Tätigkeit bzw. gefährlicher als Zufussgehen, kopfgefährlicher als Auto fahren ist;
- und letztlich um diese von Heinz angeleeirte Diskussion, die ich für vernünftig halte!, weiter zu führen

stelle ich erstmal den österr. Gesetzestext zu Helmen für motorisierte 2-Räder, mit nachfolgendem Kommentar, zur Diskussion:

---schnipp---
KDV - Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung

§ 1e. Sturzhelme für Kraftfahrer

(1) Sturzhelme müssen soweit als möglich den über der Höhe
der äußeren Gehörgänge und über dem unteren Rand der knöchernen
Augenhöhlen liegenden Teil des Kopfes des Trägers des Helmes gegen
Stöße beim Aufprallen des Kopfes auf Hindernisse schützen.
Sturzhelme müssen eine harte Helmschale mit glatter Außenfläche ohne
Versteifungsrippen und im Inneren der Helmschale eine Einrichtung
zur Aufnahme von Schlagenergie sowie eine Tragvorrichtung zum
Festhalten des Helmes auf dem Kopf des Trägers aufweisen. Die zur
Aufnahme der Schlagenergie dienenden Teile des Helmes müssen so
ausgebildet sein, daß die durch sie auf den Kopf des Trägers
übertragenen Stöße gemildert und nicht konzentriert werden. An der
Außenseite des Helmes liegende Teile dürfen um nicht mehr als 3 mm
über die Außenfläche der Helmschale hervorstehen;
Befestigungsvorrichtungen für Schutzbrillen dürfen jedoch um nicht
mehr als 5 mm über die Außenfläche der Helmschale hervorragen, wenn
sie nach hinten ausgehakt werden können; dieser Wert darf
überschritten werden, wenn sich die Befestigungsvorrichtungen unter
einer geringen Tangentialbelastung von der Helmschale ablösen.
Nietköpfe dürfen um nicht mehr als 1,6 mm über die Außenfläche oder
die Innenfläche der Helmschale hervorragen und keine scharfen Ränder
haben. Im Inneren des Helmes dürfen keine starren Teile vorspringen,
durch die bei einem Aufprall der Kopf des Benützers verletzt werden
kann. Die außen vorspringenden Teile müssen glatt sein und an die
ihnen benachbarten Flächen ohne scharfe Kanten anschließen. Die
Kanten des Helmes müssen glatt und abgerundet sein. Die Vorderkante
der Helmschale darf das Tragen von Schutzbrillen nicht behindern.
Der Helm darf weder das Hörvermögen des Trägers noch dessen
Gesichtsfeld in gefährlicher Weise vermindern. Mit dem Helm
verbundene Gegenstände wie Augenschirme oder als Nackenschutz
dienende Vorrichtungen müssen so beschaffen sein, daß sie das
Ausmaß von Verletzungen des Trägers nicht erhöhen.
(2) Die Tragvorrichtung muß aus einer den Kopf des Trägers im
oberen Bereich des Hirnschädels umgebenden Wiege und einem
Kinnriemen mit mindestens 20 mm Breite bestehen, die mit der
Helmschale fest verbunden sind. Die Befestigungsvorrichtungen dieser
Teile an der Helmschale müssen gegen Beschädigungen durch Abscheuern
gesichert sein. Die Teile der Tragvorrichtung, die an der Haut des
Trägers anliegen, dürfen keine Reizungen oder Schädigungen der Haut
erwarten lassen.
(3) Die für den Sturzhelm verwendeten Stoffe müssen dauerhaft
sein; sie dürfen auch unter Einwirkung von Regen, Kälte, Staub und
Schwingungen, unter dem Einfluß von Sonnenlicht, bei Berührung mit
der Haut des Trägers, unter Einwirkung von Schweiß oder von auf die
Haut oder auf die Haare aufgebrachten kosmetischen oder
pharmazeutischen Mitteln keinen wesentlichen Änderungen ihrer
Eigenschaften unterliegen. Die Temperatur in dem Raum zwischen dem
Kopf und der Helmschale darf bei üblicher Benützung des Helmes nicht
stark ansteigen können.
(4) Nach ihrem Aufbau der Regelung Nr. 22, BGBl. Nr. 548/1988
unterliegende Sturzhelme müssen dieser Regelung entsprechen. Nach
ihrem Aufbau der Regelung Nr. 22.04 unterliegende Sturzhelme dürfen
nach dem 31. Dezember 2000 nur feilgeboten werden, wenn sie dieser
Regelung entsprechen.

Genehmigungspflichtige Teile, Ausrüstungs- und
Ausstattungsgegenstände

§ 2. (1) Für die Verkehrs- und Betriebssicherheit eines
Kraftfahrzeuges oder Anhängers sind gemäß § 5 Abs. 1 des
Kraftfahrgesetzes 1967 von besonderer Bedeutung und daher
genehmigungspflichtig
...
e) Sturzhelme (§ 1e),

---schnapp---

Ähnliches wird es auch im bundesdeutschen Recht nach StVZO oder dgl. geben.

Worauf ich nun hinaus will:

Unter der obigen Prämisse, dass Fahrrad fahren kopfgefährich sei und ein Helm Kopfverletzungen hintanhalten bzw. verringern könnte, so wären wohl ähnliche Helmvorschriften wie die im KFZ-Bereich, sowie eine Genehmigungspflicht für die in den Handel kommenden Helmmodelle erforderlich.

Die derzeitigen Kriterien sind Pseudoprüfkriterien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anforderungen, die - wenn schon denn schon - an Helm bei Sturz anfallen um Verletzungen zu verhindern, nicht erfüllen können. Umfangreiche Testreihen und Vergleiche in Bezug auf die Wirksamtkeit, die über das 5kg-Gewicht-im-Helm-auf-die-Erde-fallenlassen hinausgehen, aus Helmindustrie-unabhängiger Hand, wären dringend notwendig, zu standardisieren und darauf beruhende Vorschriften zur Helmgestaltung den Helmproduzenten vom EU-Gesetzgeber (via nationale Gesetze) vorzuschreiben.

Der Clou an der Geschichte ist ja der: Überall, bei allem was sich Studie schimpft, dessen Zweck die Förderung des Helmtragens beim Radfahren ist, tauchen die berühmten Zahlen zwischen 65 und 85 % auf, die Helme angeblich die Kopfverletzungen zu reduzieren vermögen - stammend aus der altbekannnten TRT-"Studie", die von den Autoren selbst schon als nicht richtig anerkannt ist, werden diese Zahlen immer wieder in Behauptungstechnik nachgebetet, ohne den Beweis dafür anzutreten.

Andererseits ist versch. Verkehrsstatistiken, die nicht vorrangig helmbezogen sind, zu entnehmen, dass trotz jahrelanger steigender Helmtragequote die Quote der Kopfverletzungen bei Fahrradverunfallten in der selben Zeit nicht gesunken ist. Oder eben - wie der österr. Pro-Helm"studie" am Server des österr. BMVIT zu entnehmen, dass ins Spital mit Verletzungen eingelieferte fahrradverunglückte HelmträgerInnen die schwereren Verletzungen davon getragen haben bzw. eine höhere Todesrate zu verzeichnen hatten, als bei den unbehelmten verünglückten RadlerInnen (beides habe ich bereits in einem anderen themenbezogenen thread mit Zahlen gepostet. ... Das war wohl nur ein Teil dessen, was im Netz zu finden ist.

Die Lösung dazu - im Sinn sowohl der HelmbefürworterInnen, als auch der HelmgegnerInnen - kann nur sein, eine europaweite Studie, von Helmherstellern und sonstigen Lobbies, die an Fahrradhelmen Interesse haben, unabhängig (wirtschaftlich wie sonstwie), _ordentliche_, mit entsprechender Anzahl von samples und auf korrekt wissenschaftlicher Basis vorher-nachher-Studien durchzuführen.

So lange sowohl entsprechend sinnvolle Gestaltungsvorschriften für Helme nicht vorhanden und umgesetzt, sowie solche Studien nicht gemacht wurden, werden sich alle Diskussionen um die _event._mögliche_Wirksamtkeit_ (oder gar: Schädlichkeit der derzeitigen Helme) im Kreis drehen.

Schlussendlich noch dazu passend:

- UVEX als Hersteller sagt selbst von seinen Helmen, dass diese modernen Bürzel nach hinten gefährlich sind. Allerdings bloss als Warnung an Skater, in Bezug auf Stürze auf den Hinterkopf. ... Dass diese Stürze aber nach Aussage einiger "mir-hat-mein-Helm-geholfen" bzw. "mir-hat-mein-Helm-das-Leben-gerettet" auch vorkommen, und sohin solche Fahrradhelme auch beim eigentlichen Verwendungszweck gefährlich sind, verschweigt UVEX dezent.

- Und weil ich gerade bei UVEX bin: In einem pro-Helm-Artikel in einer Studierendenzeitung (link wurde kürzlich in d.r.f. gepostet) spricht sich der Vertreter von UVEX _gegen_Helmpflicht_ aus, weil die HelmträgerInnen riskanter fahren würden ...

lg
Elisabeth