Re: ALPHA ON TOUR

Posted by: ALPHA

Re: ALPHA ON TOUR - 12/09/03 12:09 AM

Der Wind mein Freund, der Wind mein Feind

Der Chile hatte recht gehabt. Der Wind ist hier wirklich das beste oder das schlimmste was einem passieren kann. Die Berge zaehlen da gar nichts. Bin ich auf der Abfahrt und der Wind blaesst muss ich trotzdem jedesmal kraeftig zutreten. Aber der Reihe nach.
Vor drei Tagen bin ich in Antofagasta gestartet. Mit zwei Litern Wasser, da die Angabe, das es 15 km ausserhalb, in La Negra, wieder neues Wasser gibt, mir sehr zuverlaessig erschien. Sonst konnte man sich aber wirklich auf keine Aussage verlassen. Von Null bis drei Posadas bis zum 230 km entfernten Agua Verde waren alle Meinungen vertreten. Deswegen habe ich dann den Wasservorrat auf 12 Liter in La Negra aufgestockt. Die Kette noch gespannt, gereint und geoelt, den Steuersatz gecheckt und weiter gings.
Damit die, die es nachmachen wollen, nicht auch mit der Ungewissheit des Versorgungsnachschubs leben muessen, kommt nun der ultimative Posadafueher. Alle Entfernungsangaben gemessen von Antofagasta Zentrum.
62,5 km nach Antafagasto trifft man auf die Posada Borazarte, auf 1000 HM. Alle Posadas haben ein kleines Restaurant, wo ich mir den Bauch vollschlagen und bei Bedarf auch Wasser nachkaufen kann. Ausnahmslos alle Posadas, die entlang am Wegesrand liegen, werden von mir angetestet. Bei der Posada Borazarte gibt es Nudeln mit Fleisch fuer 1500 Pesos (knapp 2 Euro), andere Gerichte fuer 800 bis 1200 Pesos.
Es folgt dann die Posada Rosario, bei km 97,3 auf 1350 HM. Die Familie lebt mittem im Nichts - es ist einfach unvorstellbar. Wenn jemand meint, ich bin errueckt, wenn ich mit meinem Rad durch die Wueste fahre - nein - das ist verrueckt. Ein Leben lang hier zu wohnen. Der Wind hilft den ganzen Tag sehr gut mit. Am Ende des Tages hat er mich ueber eine Distanz von 141,7 km und fast 1900 Meter hoch die Berge raufgeschoben. Gruss an Juergen Trittin, DEM Umweltminister! Juergen, Danke Mann!
Sonst sind die Bedingungen an diesem Tag nicht ohne. Die Sonne kommt fast senkrecht von oben. Ein ueber zwei Meter hohes Verkehrsschild wirft Mittags noch nicht einmal 10 cm Schatten. Ich fahre bei 42 Grad im Pullover (Gruss an Guenther Strohmeyer). Das mag unvernueftig klingen, aber ich habe den Eindruck es ist besser fuer das Koerperklima. Der Schweiss und die Feuchtigkeit bleiben noch laenger bei mir und der Wind trocknet mich nicht so schnell aus. Abwechslung bringen die Graeber am Strassenrand. Ich habe nicht den Eindruck, das es Graeber von Unfalltoten sind. Es schein mir Brauch zu sein, das man zu Lebzeiten den Wunsch auessern kann, in der Wueste bestattet zu werden. Die Graeber sind manchmal sehr schlicht, manchmal aber auch unglaublich aufwendig gestaltet. Die letzteren erstrecken sich manchmal ueber ein Arenal von ca. 200 Quadratmetern, haben ein Grab aus Mamor, sind ummauert und, was am erstaunlichsten ist, es stehen auch ein paar Baueme herum, die mit ausgekluegelten Methoden am Leben erhalten werden. Bei den aufwendigeren gibts auch Baenke und Stuehle, auf die man sich waehrend der Andacht setzen kann, sie haben einen kleine Schuppen, die wahrscheinlich Geraete und Wasser uer dieGrabpflege enthalten. Alle Graeber sind so gestaltet, das sie persoenliche Dinge aufweisen, die mit dem Leben des Verstorbenen in Beziehung stehen. Es ist wirklich interessant, ein Auge auf die Graeber zu werfen.
Am Ende des Tages suche ich mir einen Erdwall und lege mich auf die Matte. Das Zelt baue ich gar nicht erst auf. Warum auch, es regnet hier eh nicht.

Am zweiten Tag komme ich erst kurz vor 8 Uhr weg. Im nachhinein ist das schlecht, den der Wind blaest Morgens noch nicht so stark. Die Posada San Fransisco erreiche ich bei km 203 und auf 1850 HM. Im Gegentum zu den beiden anderen Posadas sind die Leute hier sehr unfreundlich. Die ersten dreisig km lassen sich recht gut fahren, obwohl die Strasse noch bis auf 2200 km ansteigt. Dannach gibt es ein staendiges auf und ab, der WInd blaesst nun aber wieder frontal von vorne (Mensch Juergen!) Er weht so stark, das ich meine, gegen eine Wand zu fahren. Muehsam geht es weiter. Agua Verde erreiche ich bei km 232 (1600 HM). Nach gerade mal 91 km beschliesse ich, das es fuer heute genug ist. Man muss sich den Gegebenheiten anpassen. Ausserdem - vielleicht kommt der Wind Morgen wieder von hinten?

Agua Verde besteht aus zwei Posadas, einer Copec Tankstelle und einer Wasserfoerderanlage die das ca. 80 km entfernte Taltal am Ozean mit Wasser versorgt. Die suedlichere der beiden Posadas macht einen gepflegteren Eindruck, das Bad ist richtig sauber, was hier sehr ungewoehnlich ist. Die Essenauswahl ist etwas reichhaltiger, die Frau ist sehr freundlich. Aber bei der noerdlicheren Posada habe ich ein Zimmer fuer die Nacht gefunden. Kostet 3500 Pesos, die kalte Dusche kann man sich fuer 500 Pesos kaufen. Was auch noetig war. Wegen dem Wind sind meine Augen gereizt und traenen etwas. Trotz Brille kam der Wind hinter die Glaesser. Das Licht brennt den ganzen Tag sehr grell. Wer es genau wissen will:
Bei ISO 64, Blende 8.0 und Objektivlichtstaerke kommt man auf Belichtungszeiten von 1/200 (Morgens/Abends) nbis runter zu 1/320 (Mittags).

Am dritten Tag mache ich Morgens frueh, um 6:15 einen langen Schuh. Man muss soviel wie Moeglich fahren, bevor die Wind kommt. Es geht nochmal 200 Meter aufwaerts. Das Wetter spielt an diesem Tag verrueckt. Nach 50 km kommen ich in ein Nebelfeld - unglaublich - Nebel in der Wueste! Hier gibt es im kurzem Abstand (auf 10 km) drei Posadas. Die erste ist geschlossen, hat aber zweei sehr nervige Hunde, die mich Kilometerweit in die Wuesste verfolgen. Vor allem der groessere ist hartnaeckig. Bloedes Vieh! Lauf mir nur weiter in die Wuesste nach und verdurste dann. Kurz vor der zweiten Posada gibt er Ruhe und macht kehrt. Hier zapfe ich mir erst mal ein Fruehstueck. Sehr gut komme ich die ersten 70 km voran, die Kilometersteine fliegen nur so an mir vorbei.
Bei km 114 (600 Meter HM) erreiche ich die Plantage La Bomba. Es gibt hier eine Posada, in die ich aber nicht einkehre. Das Casino fuer die Arbeiter erscheint mit interessanter. Mitten zwishcen all den Arbneitern nehme ich mein Essen ein. Fuer den grossen Teller inclusive zwei Glaessern Saft und zwei Nektarien bezahle ich 1000 Pesos. Die Leute sind sehr freudlich, ich werde gefragt, wo ich her komme. Einer der Arbeiter bringt mir persoenlich das zweite Glas Saft zum Tisch.
Vielleicht schaffe ich es heute noch bis Chaneral? Im Laufe des Tages wechsele ich von der zweiten in die dritte Region Chiles. Es sind nun auch keine 1000 km mehr bis Santiago. Aber der naechste Meilenstein ist erst mal La Serena. Der Wind faengt wieder moerderisch an zu blasen. Ich glaube, es sind Foenwinde, die vom Meer aufwaerts die Berge hochkommen. Zusaetlich muss ich an diesem Tag ueber 1100 Hoehenmetern ueberwinden. ABER ICH WILL CHANERAL ERREICHEN!
25 km Vor Chaneral hat man noch 700 HM auf dem Hoehenmesse, die mir aber kaum nutzen. Ich muss trotzdem kraeftig zutreten.
10 km vor Chaneral gibt es nochmal eine Posada, wo ich mir nochmal gut den Bauch vollschlagen kann. Bald habe ich es geschaft. Nach 174 km rolle ich in Chaneral ein. In dieser 12000 Einwohnerstadt am Pazifik habe ich nun nichts besseres zu tun, als noch ein Internetcafe zu suchen und noch diesen Bericht zu schreiben. So schlimm kann die Fahrt also gar nicht gewesen sein...

Morgen erwartet mich eine kuerze Etappe. Ziemlich genau 100 km, immer entlang der Kueste.
Bis demnaechst, Peter