Re: ALPHA ON TOUR

Posted by: ALPHA

Re: ALPHA ON TOUR - 12/05/03 08:14 PM

Die Karawanne zieht weiter der Peter kriegt Durst...


Hallo Leute,
Hier mein vorerst letzter Bericht, da ich damit rechne, auf den naechsten gut 500 km keinen Internetzugang zu haben. Damit ihr eine ungefaehre Ahnung davon bekommt, wo ich mich zur Zeit aufhalte, einige Infos:

Antofagasta liegt im Nordchile, auch "grosser Norden" genannt. Die Stadt liegt im Zentrum der trockensten Wueste der Welt. Häufig faellt hier jahrelang kein Regen. Die Stadt hat ungefaehr 230.000 Einwohner - und wenn man sich die Anzahl der Leute anschaut, die hier durch die Fussgaengerzone tappern (und diese Anzahl ins Verhaeltniss zu der Anzahl der Leute in Koelns Fussgaengerzone setzt) - dann meine ich fast, es koennten auch ein paar zehntausend mehr sein. Von der Bedeutung her kann man Antofagasta im Norden mit Puerto Montt im Sueden vergleichen, den die Stadt versorgt mit ihrem Hafen den gesammten Norden Chiles mit wichtigen Guetern.
Antofagasta lag einst auf bolivianischen Terrain. Aber im Salpeterkrieg, (auch Pazifischer Krieg genannt und 1879 bis 1884 ausgetragen) wurde die Region Atacama an Chile verloren. Im 19. Jahrhundert war die Zugehörigkeit der Grenzregion zwischen Chile, Peru und Bolivien strittig und das Interesse aufgrund des Nitratvorkommens sehr groß.
Chilenische Unternehmen begannen als erste das Nitrat abzubauen, was für Peru und Bolivien 1873 Grund für eine geheime Allianz war, mit dem Ziel sich die chilenischen Firmen anzueignen. Ergebnis war, dass Bolivien 1874 die Kontrolle über das Gebiet vertraglich gesichert erhielt, mit der Bedingung von den chilenischen Firmen 25 Jahre lang keine Steuern verlangen zu dürfen.
Jedoch verlangte 1878 der bolivische Präsident Hilarión Daza von den Firmen Steuern und gab Chile damit einen Grund Truppen zu entsenden. Die Truppen besetzten daraufhin die bolivische Hafenstadt Antofagasta und Chile erklärte den paktierenden Ländern Bolivien und Peru 1879 den Krieg.
Die Truppen Chiles erwiesen sich auf See und Land als überlegen. Noch im selben Jahr errang die Flotte bei Kap Angamos einen wichtigen Sieg und die Landtruppen stießen 1880 nach Arica und Tacna vor. Dies ließ Bolivien keine andere Wahl als die Aufgabe.
Peru, damals ohne eine Grenze zu Chile, setzte den Kampf fort, allerdings eroberte Chile 1881 die Hauptstadt Lima und drängt die Verteidiger ins Bergland wo sie zwei Jahre später aufgaben. Am 20. Oktober 1883 kam zwischen Chile und Peru der Vertrag von Ancon zustande. Darin erhielt Chile die peruanische Provinz Tarapaca. Am 4. April 1884 kam zwischen Chile und Bolivien der Vertrag von Valparaiso zustande. Darin erhielt Chile die bolivische Küstenregion um Antofagasta, was Bolivien den Zugang zum Pazifik kostete und natürlich die Provinz Atacama. Erst 1904 wurden diese Bedingungen offiziell anerkannt.

Gestern Abend habe ich mir von der Terasse des Hotels aus das Lichtermeer von Antofagasta angeschaut. Es war wirklich sehr beeindruckend, da sich die Stadt von Meeresniveau an, mehre hundert Meter die Berge hinauf, aufwaerts schwingt, und die Lichter wie von einer gigantischen Tribuene herab leuchten. Es Weinachtet hier in Chile auch schon etwas, aber - welch Wohltat - es ist lange nicht so schlimm wie in Deutschland. Hier und da sieht man einen Christbaum stehen, da es sonst um Antofagasta herum Null Baeume zu sehen gibt, kann man also sagen, das ich mich - mathematisch ausgedrueckt - in einem diskreten Wald befinde.
Es faellt auf, das hier alle Etagen, in den Kaufhauesern (und auch in den Hotels) mit eins aufwaerts anfangend beginnen. Das Erdgeschoss ist also bereits die erste Etage, was anfaenglich bei mir grosse Verwirrung ausloesste! Aber jetzt hab ich es raus :-))
Und dann sieht man ueberall Wachleute in den Eingaengen der Kaufhaueser stehen. Deutlich mehr als in Deutschland, wo man sie auch an den Eingaengen der grossen Kaufhaueser sieht. Um mir neue Sonnenmilch zu kaufen (Lichtschutzfaktor 45) musste ich erst umstaendlich einen der Kaufhausangehoerigen bitten, mir die Vitrine aufzuschliessen, in der die kostbare Flasche eingeschlossen war. Bevor man mit der Ware das Kaufhaus verlassen kann, muss man sich eine Rechnung ausstellen lassen, mit dieser vor ein Karbuff treten, in der jemand hockt, sich eine Quittung abholen und dann wieder zum Lagerplatz der Ware zurueck. Die Quittung vorzeigen und dann darf man gehen. Die Tueten werden vorher noch versiegelt, wahrscheinlich damit man nicht ein zweites Mal "umsonst einkauft".

Gestern Morgen habe ich vor dem Mac Donalds so eine abgerissene Gestalt gesehen. Er hat den vorbeigehenden Passanten fuer 2000 Pesos eine Uhr angeboten. Hmmm... Um offiziell auszusehen, hat er sich noch so eine Kappe von Mac Donalds auf den Kopf gesetzt, die man in diesem Restaurants zu den groesseren "Menus" dazu bekommt. Mit Argusaugen habe ich mein Rad bewacht, den ich hatte kein Interesse, das er es Stunden spaeter irgendwo fuer Dosmill Pesos verscherbelt. Ja ja, so ist das, alle haben Angst, bestohlen zu werden...

Das Paket, welches ich mir selbst postlagernd nach Antofagasta geschickt habe, ist noch nicht angekommen. Da meine Tour durch Bolivien ausgefallen ist, bin ich mindestens 2 Wochen zu frueh hier. Aber das ist eigentlich nicht tragisch. Ich bin bislang viel weniger Rad gefahren, als ich vor der Reise gedacht haette und es ist noch nichts verschlissen, von der Ausruestung. Ausserdem klafft ein gewaltiger Unterschied zwischen der Tatsache, was man vor der Reise meint, was wichtig ist, und der Erkenntniss die ich unterwegs bekomme, von dem, was ich brauche.

Hier vor Ort habe ich mich nochmal bei einigen Leuten erkundigt, wo es Wasser gibt. Schon ungefaehr 15 Kilometer ausserhalb von Antofagasta gibt es in La Negra Wasser zu kaufen. Ich werde also mit wenig Wasser starten, damit das Rad nicht zu schwer wird und ich besser in die Berge komme. Danach gibt es allerdings lange Durststrecken. Hilfreich ist es, das es hier Flaschen in allen moeglichen Groessen gibt: 1,5 / 1,6 (sehr verbreitet) / 2,0 / 2,2 / 2,25 / 2,5 und 3-Liter Flaschen habe ich hier gesehen, neben den 5-Liter Kanistern. Die 2-Liter-Flaschen passen gut in meine XL-Minoura-Flaschenhalter, somit kann ich schon mal 4 Liter am Rahmen des Fahrrades unterbringen. Was fuer die grossen Durststrecken natuerlich nicht reicht...
Die Leute mit der Wasserinfo - hoffentlich stimmen die - haben mich noch unglaeubig angeschaut. There is absolutly nothing! Und sie haben mich vor der Sonne gewarnt, ich soll mir mal meine Lippen ansehen und auf jeden Fall einen guten Sunblocker mitnehmen.

Auf dem Spaziergang durch die Stadt habe ich mir die Kirche angeschaut. Sie ist nicht besonders aufwendig gebaut. Auffaellig ist, das gleich an die Fassade der Kirche angrenzend, moderne Haueser gebaut sind. Ich habe mich in die Kirche gesetzt und die Atmosphaere auf mich einwirken lassen. Ploetzlich habe ich feuchte Augen bekommen. Mann, auf so einer Reise kann man glaeubig werden - wenn man es nicht schon ist. Aber macht euch nicht zuviel Sorgen. Erst vor einigen Monaten hat ja der beruehmte Tilmann Waldthaler die Atacamawueste per Rad durchquert. Der Mann ist ueber 60, somit zwar viel erfahrener als ich, aber ich sollte es auch schaffen.

Morgen will ich sehr zeitig aufbrechen, auf jeden Fall vor 7:00 Uhr. Die Sonne brennt dann noch nicht so sehr. Es wird einige Tage keinen Bericht von mir geben, erst gut 500 km weiter suedlich rechne ich wieder mit einem Internetzugang. Aber SMS versenden muesste moeglich sein, hoffe ich. Und Marleen leitet diese dann an euch weiter.

Uebrigens habe ich schon ueber 300 Fotos gemacht! Das freut den Dirk, den er schaut ja sooo gerne Fotos an. Ich habe mir schon ueberlegt, ihm zum Geburtstag ein Album ueber Fotoalben zu schenken, ein sogenanntes Meta-Album also.

So, bis hoffentlich bald mal, Peter