Re: Wie komme ich auf die Idee einer Radreise

Posted by: veloträumer

Re: Wie komme ich auf die Idee einer Radreise - 04/25/18 05:40 PM

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In Antwort auf: quast
Im nächsten Jahr soll es nun los gehen. Der Entscheidungsprozess ist teilweise noch offen, aber aktueller Stand wäre der Einstieg über die Via Claudia Augusta und sehen, wohin wir kommen. Wichtig wären uns die Erlebnisse am Wegesrand, Tourenführung abseits der Blechlawine und ein Streckenprofil, das man mit Zeit und ohne sonderlichen sportlichen Ehrgeiz fahren kann.

Kann sein, es gibt schönere Routen? Noch haben wir uns nicht festgelegt. Ein Teil des Rhonetales bin ich mal mit unserer Ente gefahren, hat mir auch gut gefallen.

Rhone-Radweg ist zu gewichtigen Teilen immer noch nicht fertig. Bei den alternativen Straßen solltest du wissen, dass man schon mal mit mehr Autos konfrontiert werden kann, weil wesentliche Transit- und Siedlungsachse. Es gibt sicherlich einsamere Gegenden, ohne dass ich komplett abraten würde, weil es immer drauf ankommt, wie mans macht.

Alpen: Ein weites Feld, aus Hamburger Sicht evtl. sehr exotisch. Ein (intelligenter, gebildeter) Freund bei Stade hat mir mal gesagt mit Blick auf meine Passquerungen, er hat gar nicht gewusst, dass es mehr als 3-4 Pässe in den Alpen gibt. Da war er schon im Rentenalter. Mit einer gewissen Ironie darf ich festhalten, dass der norddeutsche Bildungshorizont manchmal etwas "flach" ist, ohne dass ich damit jemand beleidigen würde. grins

Es gehört zu den modernen Entwicklungen sich als "Anfänger" gar gleich auf die (meist) drei bekanntesten Transitradwege Nord/Süd über die Alpen zu stürzen, die in einem recht engen Raum innerhalb der westliche Ostalpen liegen und in den letzten Jahren ein starke werbliche Unterstützung erhalten haben. Die Via Claudia Augusta ist nicht schlecht, aber zunächst würde ich mich mal mit dem Alpenraum insgesamt beschäftigen und fragen, was ich erleben will. Schönere Strecken gibt es sicherlich - aber ich möchte nicht eine gegen andere ausspielen. Es geht mehr um Vielfalt, um einen Kosmos.

Die Alpen reichen von Wien bis Marseille, von Triest bis Zürich - mal ganz grob gesprochen. "Authentisch" sind dicht bewaldete Pässe um die 1000 m in den östlichen Ostalpen (oder im westlichen Mercantour, nur höher) ebenso wie Blicke auf glitzernde Gletscherfelder von 4000ern in den Westalpen, kalkreiche Schluchten und mondähnliche Mergelhügel im Südwesten, geschmeidige grasgrüne Hügelketten in den Nockbergen, dunnkle, wild stäubende Klamme, oder himalayaverdächtige Felswände in den Dolomiten, smaragdfarbene Karibik in den Flüssen der Julischen Alpen. Reinhold Messner sagt, die höchsten Berge der Welt, die haben wir nicht, aber die schönsten, die haben wir (damit sind die Alpen gemeint).

So vielseitig das Naturbild der Alpen, letztlich fast alles Kulturlandschaft - nicht unberührte Natur -, so vielseitig auch die Kulturräume. Die Alpen sind nicht menschenleer und wer sich das so wünscht (was immer wieder bei trendsettigen Freizeitmenschen aus den Städten vorkommt), hat die Alpen nicht verstanden und läuft einem romantischen Klischee hinterher, dass die Kulturen und Menschen vor Ort missachtet. Je mehr in der Mitte, desto mehr tummeln sich auch Menschen dort. Die einsamsten Gegenden also im Westen und im äußersten Osten. Naturschönheiten gibt es aber natürlich auch dort, wo viele Menschen sind - und Menschen auch dort, wo es einsam ist.

Einfachere Routen gibt es in den Alpen immer wieder. Dazu zählen aber mitunter gar nicht die Nord-Süd-Verbindungen, sondern auch viele Ost-West-Täler, die sich sehr lang und moderat strecken können (z.B. Drau, Mur, Salzach, obere Rhone, Inn, untere Var). In manchen Fällen kann man auch in "schwierige" Alpenteile einfach reinradeln und sich mit Zügen herausfahren lassen, ohne den finalen Pass zu fahren (Salzach, Durance, Isère, in der Schweiz sowieso). Und: Man kann alles kombinieren, bevor man an Luxusstrände oder Schickeriametropolen abgleitet. Vieleicht braucht man das irgendwann auch gar nicht mehr als Anreiz, weil der Reiz bereits mitten in den Bergen liegt.

Schließlich ist ein "großer" Pass evtl. erfüllender als mehrere Hügelpässe, weil man mehr Landschaftssstufen erlebt - vom psychologischer Effekt mal abgesehen. Auch der Anfänger schafft daher eine 2000er durchaus. Häufig hörte ich Kommentare "Hätte ich mir schwerer vorgestellt..." - Neulinge etwa am Gotthard, am San Bernardino. Auf der großen Sella-Runde in den Dolomiten (vier bzw. fünf 2000er) traf ich Hamburger, die mich mehrmals an demselben Tag überholten - immer nach längeren Fotopausen. Die sagten: "Wir Hamburger können auch Berge fahren." Und ja: Das Murmeltier musst du schon oberhalb 1600 m suchen, sonst werden die Hamburger immer glauben, dass es ein Fabeltier sei.

Möchte ich noch zum Schluss nicht nur für die Höhe werben, sondern auch das, was oft als despektierlich "Voralpen" bezeichnet wird. Ein nicht minder reicher Schatz an Alpen-Typik von der Côte d'Azur bis ins bayerische Allgäu, vom Vercors bis zur Hügeligen Welt - von Lavendel bis Kuhglocken und Weißbier auf grünen Wiesen, Vulkanwurst aus der Südsteiermark und Oliven-Trüffel-Kostbarkeiten rund um den Mont Ventoux. Manchmal leicht zu radeln, manchmal so hart wie mittendrin in den Hochalpen.

Und nun? Alpen mal studieren - Bücher, Web, Broschüren usw. Nicht jedem erst besten Klischee gleich nachlaufen. Anregungen gibt es natrülich auch etliches hier im Forum, ein nicht kleine Auswahl an alpenaffinen Berichten findet sich etwa in meinem Profil, weiteres auch über Radwiki usw.