Re: Alles fließt in die Rhone III-b: Vercors

Posted by: veloträumer

Re: Alles fließt in die Rhone III-b: Vercors - 03/02/24 09:54 PM

ALP-2022-TdF-18
Dauphiné-Voralpen II: Der östliche Vercors & Trièves feat. L’Arzelier, Mont Aiguille & Cirque d’Archiane (Col de Grimone – Die)

Es mag ungewöhnlich sein, dass ein Bericht auf einer Passhöhe beginnt. Die Leserinnen und Leser meiner Berichte werden sich vielleicht erinnern, dass der Detailbericht „Alles fließt in die Rhone III-a: Au cœur du Dauphiné“ eben genau an einem Pass endete, dem Col de Grimone und quasi im Grenzbereich gleich mehrerer Alpengruppen. Ich war gerade noch zu Sonnenuntergang oben eingetroffen, nicht sehr viel Platz, aber doch immerhin ein Tisch mit Bank, oberhalb stand ein Camper mit deutschem Kennzeichen, ohne dass wir aber ins Gespräch kamen.

(Mi 24.8.) Col de Grimone – La Croix Haute – Col de la Croix-Haute (1179 m) – La Gare (Clelles) – Col du Fau (899 m) – Monestier-de-Clermont – St-Paul-les-Monestier – St-Guillaume – Château-Bernard – Col de l'Arzelier (1154 m) – Château-Bernard – St- Andéol – Serre Brion – Col des Deux (1222 m) – Gresse-en-Vercors – Col de l'Allimas (1352 m)
85 km | 1525 Hm

Der Morgen versprach wieder einen durchgehenden Sonnentag. Die Abfahrt vom Col de Grimone nach Osten entfaltet ein berührendes Panorama auf die Gipfelwelt des Dévoluy, fast wie von einem Landschaftsarchitekten modelliert. Mit Erreichen der Europastraße muss man ein paar Abstriche in der romantischen Stimmung machen, denn es handelt sich um eine der drei wichtigen Nord-Südachsen im südfranzösischen Alpenraum, wo es keine durchgehende Autobahn gibt.

[ von lh3.googleusercontent.com]

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Mit der Hauptpasshöhe des Col de la Croix-Haute erreiche ich ein Höhenplateau unter dem Namen Trièves, das weite Blicke hinüber zu den Alpenränder des Drac-Grabens erlaubt, bei klarer Sicht sind die Drei- und Viertausender des Écrins-Massivs gut zu erkennen. Zur Westflanke hin erhebt sich gleich recht unvermittelt und steil der Vercors. Die Straße ist nun keine durchgehende Abfahrt, sondern mehr ein welliges Auf-und-Ab, u.a. mit einer weiteren Passhöhe.

Der Höhepunkt fürs Auge nicht nur an diesem Tag, sondern am nächsten noch gleich mit, erhebt sich alsbald majestätisch und immer wieder in neuer Gestalt am Vercors-Bergmassiv – der Mont Aiguille. Mal scheint er ein breiter Tafelberg zu sein, dann wieder ein spitzer Bergsporn wie eine Haifischflosse. Die Varianten sind ein wundersames Formenspiel, das ebenso mit dem modernen Wellblech der empfehlenswerten Molkerei gleichen Namens harmoniert wie dem eher nostalgischen Bahnviadukt wenig weiter. Züge fahren aber so selten, dass man nicht auf eine Fotoshot mit Bähnlein warten sollte.

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Trotz recht guten Verkehrs sind die Einkaufsmöglichkeiten an der Strecke gering und verpasste Chancen rächen sich schnell. Tatsächlich müsste man dazu auch die Straße in tiefe Talmulden verlassen, wo sich noch kleinere Gewerbegebiete befinden. Trotz der Käse- und Joghurtaufstockung fühle ich mich in Monestier-de-Clermont schlecht gerüstet, gleich zwei Bäckereien haben geschlossen und vor mir liegt eine noch einsamere Gegend, sodass ich eine Mittagseinkehr in einem Lokal einlege.

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Zunächst drängt sich eine landwirtschafltich genutzte, recht liebliche Ebene noch weit ins Bergmassiv rein. Im Anstieg dann jenseits von St-Guillaume möchte ich eine Rundschleife über den Col de l’Arzelier fahren – doch dem ist nicht möglich. Eine ziemlich strenge Sperre wegen Bergsturz verhindert die Anfahrt über die weite Ost-Nord-Schleife. So muss ich die kürzere Anfahrt von Südwesten wählen und den Col de l’Arzelier im letzten Teil als Stichstraße anfahren. Während Château-Bernard an der Verzweigung von Passanstieg und meiner weiteren Schleife nach Süden noch eine eindrucksvolle Kulisse abwirft, bleibt der Restanstieg zum Pass etwas unterdurchschnittlich. An der Passhöhe zeigen sich ein paar unschöne Apartmenthäuser, wenngleich sie meist hinter Bäumen verdeckt sind und ein weiterer Charakterberg die steile Horizontlinie aufpimpt.

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Zurück über Château-Bernard schmiegt sich die Straße an einen lang gezogenen Grat, hinter dem sich das oberste Hochplateau des Vercors befindet. Vor dieser Kulisse fährt man schon bei Abendkühle und Schatten wellig, teils in einer Aue, später ansteigend und mit einer harten Schlussrampe zum Col des Deux. Dahinter verbirgt sich eine wieder lieblichere Landschaft, mit ferner Bergkulisse.

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Sind die Orte bisher alle eher durch ihre verlassen wirkende Ruhe aufgefallen, scheint es in Gresse-en-Vercors zunächst ähnlich. Genauer geschaut, handelt es sich doch um ein kleines Zentrum für Wanderer oder Ausflügler. Vier Restaurants buhlen um Gäste und alle sind überfüllt – complet, kein Bissen zu bekommen. Beim letzten Gasthof bettele ich noch um Brot und werde da nicht gerade gut behandelt. Man verdient hier gut genug, dass man einem Radler nicht mal gegen Geld weiterhelfen möchte. Ohnehin kaum ein geeigneter Rastplatz hier, quäle ich mich in der Dunkelheit noch zur nächsten Passhöhe. Soviel kann ich erkennen, dass hohe Tannen eine Aussicht verhindern – ich verpasse offenbar nicht viel. Der Zufall will es, dass auf der Passhöhe schon eine kleine Gruppe mit Auto ein Zelt aufgebaut hat. Es ist noch Platz für ein zweites, und kann am Picknicktisch noch ein spätes Abendbrot mit bescheidenem Proviant zu mir nehmen.

(Do 25.8.) Col de l'Allimas – La Bâtie – St-Michel-des-Portes – D84/D1075 – Les Oches – Clelles – D1075/D7 – Col du Prayet (1197/1202 m) – Col de Menée (1402 m) – Menée – Cirque d'Archiane (785 m) – Menée – Châtillon-en-Diois – St-Roman – Die
85 km | 1030 Hm

Die folgende Strecke ist eine fortlaufende Hommage an den Mont Aiguille bei wieder wechselnden Perspektiven. Bevor ich zur tags zuvor bereits beradelten Hauptachse zurückkehre, erwog ich noch eine abkürzende Piste nach Trézanne. Der Pistenzustand wäre zumindest anfangs grundsätzlich tauglich gewesen, aufgrund einiger Steigung aber befürchtete ich eine recht kraftzehrende Tortur, die vielleicht länger als der asphaltierte Umweg gedauert hätte. Zudem drängte mich die Suche nach neuem Proviant und einem nochmaligen Besuch der Mont-Aiguille-Molkerei wieder auf den Asphalt zurück und in den etwas abwärts liegenden Ort Clelles.

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Nach den essentiellen Einkäufen bei einem überschaubren Warenangebot ging es auf die Col-de-Menée-Strecke, zunächst immer noch mit dem Mont Aiguille im Blickfeld. Die Passroute entwickelt indes weitere aufregende Szenerien mit Mergelbergen, eine Zwischenpasshöhe weitet kurz die Ausblicke nach Süden. Der Sattel besteht indes nur aus einem Tunnel, eine ältere Passstraße über den Berg kann ich nicht erkennen.

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Zur Gegenseite entwickeln sich raumgreifende Bergpanoramen mit emporragenden Horizontlinien aus Felstürmen und markanten Graten. Gleichwohl ist der Talkessel sehr weit geschnitten. Zu schnelle Radler sollten bremsbereit sein, wenn sie das kleine Dorf Menée ansteuern. Dort befindet sich ein unbedingt empfehlenswerter Abzweig zum Gebirgskessel Cirque d'Archiane. Der Anstieg ist unrhythmisch, aber sportlich gesehen unbedeutend. Umso mehr tritt man in eine aufregende Bergarena ein. Kritikpunkt ist hier nur – darf man Natur kritisieren? –, dass die aufragenden Himmelstore zu steil sind, als dass man sie vollends in die Linse fassen kann. Ein Weiler am Ende der Straße sorgt für weitere Bildbeschränkungen. Wohl wäre auch eine weitere Wanderung ertragreich, um Geier und anderen Greifvögel zu beobachten.

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Zurück auf der unteren Passstraße, schält sich eine liebliche, fast mediterrane Landschaft mit Hainen und Weinfeldern heraus. Châtillon-en-Diois stellt sich als charmante Perle des typischen Diois vor, ein verträumter Gang führt durch historisch gepflasterte Gassen, über enge schattige Treppenstiege und zu kleinen lichten Plätzen, wo zu einem Kaffe oder Gläschen geplaudert und gegessen wird. Es wäre ein Ort, der eine Etappenstop durchaus verdient hätte. Aber solche gibt es auf solchen Reisen ja bekanntlich immer zu viele.

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Mein Ansinnen war es noch Die zu erreichen. Die Landschaft bald eine weitende Ebene, die der kiesbettgeäderte Drôme-Fluss ausformt, die agrarischen Flächen meist mit Weinreben bepflanzt. Gemessen an den so wechselvollen Szenerien des Tages wirkt die Passage schon fast öde. Die möchte ich nicht noch bei Dunkelheit durchpflügen, sondern vor der Stadt verbleiben, um am nächsten Tag ein bisschen Flair von der Stadt einzufangen. Die Besiedlung ist doch erstaunlich weit gestreut und dicht, sodass es für ein freies Zelt kaum Platz gibt.

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